Die besten Sprüche und Zitate von Karl Kraus

Karl Kraus (1874-1936) – Österreichischer Schriftsteller und Publizist

In diesem Artikel haben wir die besten Sprüche und Zitate von Karl Kraus für Sie zusammengestellt.


Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient! Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!


Da das Halten wilder Tiere gesetzlich verboten ist und die Haustiere mir kein Vergnügen machen, so bleibe ich lieber unverheiratet.


Keine Grenze verlockt mehr zum Schmuggeln als die Altersgrenze.


Bei gleicher Geistlosigkeit kommt es auf den Unterschied der Körperfülle an. Ein Dummkopf sollte nicht zu viel Raum einnehmen.


Besser es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine Scherereien mit der Polizei.


Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.


Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben.


Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.


Das sind die wahren Wunder der Technik, daß sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht.


Daß Bäcker und Lehrer streiken, hat einen Sinn. Aber die Aufnahme der leiblichen oder geistigen Nahrung verweigern, ist grotesk. Wenn es nicht etwa deshalb geschieht, weil man sie für verfälscht hält. Die lächerlichste Sache von der Welt ist ein Bildungshungerstreik. Ich stimme schon für die Sperrung der Universitäten; aber sie darf nicht durch einen Streik herbeigeführt werden. Sie soll freiwillig gewährt, nicht ertrotzt sein.


Dem Bedürfnis nach Einsamkeit genügt es nicht, daß man an einem Tisch allein sitzt. Es müssen auch leere Sessel herumstehen. Wenn mir der Kellner so einen Sessel wegzieht, auf dem kein Mensch sitzt, verspüre ich eine Leere und es erwacht meine gesellige Natur. Ich kann ohne freie Sessel nicht leben.


Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.


Der Historiker ist nicht immer ein rückwärts gekehrter Prophet, aber der Journalist ist immer einer, der nachher alles vorher gewusst hat.


Der Scharfsinn der Polizei ist die Gabe, alle Menschen eines Diebstahls für fähig zu halten, und das Glück, daß sich die Unschuld mancher nicht erweisen lässt.


Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende macht.


Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, daß er die Menschen schlechter machen kann.


Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.


Der Zuhälter ist das Vollzugsorgan der Unsittlichkeit. Das Vollzugsorgan der Sittlichkeit ist der Erpresser.


Die deutsche Sprache ist die tiefste, die deutsche Rede die seichteste.


Die kleinen Stationen sind sehr stolz darauf, daß die Schnellzüge an ihnen vorbei müssen.


Die österreichische Überzeugung, daß dir nix g’schehn kann, geht bis zu der Entschlossenheit eines Mannes, der auf Unfall versichert ist und sich deshalb ein Bein bricht.


Die Sprache entscheidet alles, sogar die Frauenfrage. Daß der Name eines Weibes nicht ohne den Artikel bestehen kann, ist ein Argument, das der Gleichberechtigung widerstreitet. Wenn es in einem Bericht heißt, »Müller« sei für das Wahlrecht der Frauen eingetreten, so kann es sich höchstens um einen Feministen handeln, nicht um eine Frau. Denn selbst die emanzipierteste braucht das Geschlechtswort.


Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.


Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwäche verteidigt.


Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muss mit einem Satz über sie hinauskommen.


Ein dick aufgetragener Vaterstolz hat mir immer den Wunsch eingegeben, daß der Kerl wenigstens die Schmerzen der Zeugung verspürt hätte.


Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen.


Eine merkwürdige Art Mensch ist der Beamte eines magistratischen Bezirksamtes. Erledige ich eine Angelegenheit schriftlich, so lädt er mich vor. Gehe ich das andere Mal gleich selbst hin, so fordert er mich auf, eine Eingabe zu machen. Ich muss rein auf die Vermutung kommen, daß er das eine Mal mich kennen lernen und das andere Mal ein Autogramm von mir haben wollte.


Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern.


Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann.


Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern.


Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral.


Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Maschine zu retten. Das ist, sie zu benützen. Nur mit dem Auto kommt man zu sich.


Gedanken sind zollfrei. Aber man hat doch Scherereien.


Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei.


In Wien stellen sich die Nullen vor den Einser.


Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch dem Menschen treu und nicht dem Hund.


Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten.


Künstler ist nur einer, der aus der Lösung ein Rätsel machen kann.


Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.


Sie ist mit einer Lüge in die Ehe getreten. Sie war eine Jungfrau und hat es ihm nicht gesagt.


Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!


Tugend und Laster sind verwandt wie Kohle und Diamant.


Vieles, was bei Tisch geschmacklos ist, ist im Bett eine Würze. Und umgekehrt. Die meisten Verbindungen sind darum so unglücklich, weil diese Trennung von Tisch und Bett nicht vorgenommen wird.


Vielleicht ginge es besser, wenn die Menschen Maulkörbe und die Hunde Gesetze bekämen, wenn die Menschen an der Leine und die Hunde an der Religion geführt würden. Die Hundswut könnte in gleichem Maße abnehmen wie die Politik.


Wien, diese vollständige Schatzkammer aller menschlichen Fühllosigkeit und politischen Ehrlosigkeit.


Wohltätige Frauen sind oft solche, denen es nicht mehr gegeben ist, wohlzutun.


Zum Teufel mit dem Geschwätz über die sexuelle Aufklärung der Jugend! Sie erfolgt noch immer besser durch den Mitschüler, der im Lesebuch das Wort »Horen« anstreicht, als durch den Lehrer, der die Sache als eine staatliche Einrichtung erklärt, die so wichtig sei und so kompliziert wie das Steuerzahlen.


Den Leuten ein X für ein U vormachen – wo ist die Zeitung, die diesen Druckfehler zugibt?


Der Momo ist ein unentbehrlicher pädagogischer Behelf im deutschen Familienleben. Erwachsene schreckt man damit, daß man ihnen droht, der Psychiater werde sie holen.


Der Sport ist ein Sohn des Fortschritts, und er trägt schon auf eigene Faust zur Verdummung der Familie bei.


Der Voyeur besteht die Kraftprobe des natürlichen Empfindens: Der Wille, das Weib mit dem Mann zu sehen, überwindet selbst den Widerwillen, den Mann mit dem Weib zu sehen.


Die anständigen Frauen empfinden es als die größte Dreistigkeit, wenn man ihnen unter das Bewusstsein greift.


Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne.


Die Sitte verlangt, daß ein Lustmörder den Mord zugebe, aber nicht die Lust.


Die Zeitung ist die Konserve der Zeit.


Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Wimmerln, beim anderen Sexualgesetze.


Krieg ist zuerst die Hoffnung, daß es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, daß es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, daß es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, daß es beiden schlechter geht.


Schönheit vergeht, weil Tugend besteht.


Was sind alle Orgien des Bacchus gegen die Räusche dessen, der sich zügellos der Enthaltsamkeit ergibt!


Wir leben in einer Gesellschaft, die Monogamie mit Einheirat übersetzt.


Wo nehm ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?


Wie? Die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können?


Pfui Teufel!


Das Feigenblatt des Neides ist sittliche Entrüstung.


Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei. Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Misstrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben.


Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält.


Nichts trostloser als seine Adepten, nichts gottverlassener als seine Gegner. Kein Name, der geziemender durch Schweigen geehrt würde. In einer uralten Rüstung, ingrimmig grinsend, ein chinesisches Idol, in beiden Händen die gezückten Schwerter schwingend, tanzt er den Kriegstanz vor dem Grabgewölbe der deutschen Sprache.


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